Gedichte verlegen aus Leidenschaft: Das ist die Motivation von Stephanie Mattner. Deshalb wurde sie selbst zur Verlegerin und gründete den Verein SternenBlick. Dieses Interview erlaubt auch Einblick in die Lyrik-Szene. Für Dichterinnen und Dichter gibt es zudem Tipps zum Thema Veröffentlichung.
Für wen dieser Artikel besonders interessant ist:
- Berufseinsteiger, Berufserfahrene, Neustarter und Sehnsüchtige
In diesem Artikel erfahren Sie:
- Wie der Verein SternenBlick entstand.
- Wie Stephanie Mattner zur Verlegerin und SternenBlick-Gründerin wurde.
- Was Sie über die Veröffentlichung von Lyrik wissen sollten.
- Linkempfehlungen.
Verein SternenBlick: Gedichte verlegen, Poesie fördern
Kannst Du Dich bitte den Leserinnen und Lesern meines Blogs vorstellen?
Ich bin Stephanie Mattner, Baujahr 1983 und lebe seit meinem Germanistik-Studium in Berlin. Beruflich kümmere ich mich derzeit um die Distribution von E-Books und Hörbüchern in einem weltweit agierenden Service für Selfpublisher. Mein Herz schlägt aber für Poesie. Ich bin selbst Dichterin und inzwischen auch Verlegerin für schriftliches Kulturgut im Verein SternenBlick.
Wie kamst Du zur Lyrik? Was hat Dich inspiriert, Gedichte zu verlegen?
Tatsächlich liegt der Ursprung vom Schreiben und Verlegen gemeinsam in meiner frühen Jugendzeit. Jene Tage als Poesiealben groß in Mode waren und meine Freunde, in dem kleinen brandenburgischen Dörfchen aus dem ich stamme, darum wetteiferten, wer die meisten Einträge sammeln kann. Ich war hingegen fasziniert von den Sprüchen und stellte schnell fest, dass Lehrer und andere Erwachsene viel tiefere Verse in mein Album eintrugen. Bewaffnet mit einem Stift und Heft, klingelte ich bei den Nachbarn und fragte sie nach ihren alten Poesiealben und Sprüchen.
Herz schlägt für Poesie
Meine Liebe zum gebundenen Wort nahm hier seinen zaghaften Anfang. Wenige Jahre später behandelten wir Goethes »Faust« in der Schule – mein Schlüsseltext zur Welt der Dichtkunst. Neben dem erneuten Aufgreifen der Sammelleidenschaft von Gedichten, fing ich auch selbst an zu schreiben. Eine Anthologie zusammenzustellen mit den gesammelten Texten, schwebte mir jahrelang im Hinterkopf, aber erst mit SternenBlick griff ich 2013 diese Sehnsucht auf und veröffentlichte das erste Buch.
Meine Interview-Serie heißt »Sehnsucht Buch«. Spielte bei Deiner Gründung des SternenBlick-Vereins die Sehnsucht eine Rolle?
Ich denke, die tiefe innere Sehnsucht, seiner Berufung nachzugehen, ist, was die meisten antreibt und das nicht unbedingt immer bewusst. Sie ist ein starker Motor. Als ich zusammen mit dem Kieler Dichter Ben Kretlow an der ersten Anthologie »Ein Gedicht für ein Kinderlachen« arbeitete, war ich gerade frisch mit meinem Germanistik-Studium fertig. Dort hatte ich bereits einen Fokus auf das Editionswesen und wie man für verschiedene Leseansprüche die geeignete Ausgabe erschafft.
Das gedruckte Buch mit meinem Namen als Herausgeberin in Händen zu halten, war ein wunderbarer Moment, der die ganze Theorie der Vorjahre und meine Sehnsucht verbunden hat. Dieser Augenblick hat mich sehr erfüllt. So sehr, dass ich nicht lange überlegen musste, ob ich dieser Sehnsucht meines Herzens weiter nachgehen möchte.
Nun sind seit 2013 bereits über 30 Bücher veröffentlicht und an die 600 AutorInnen haben sich an SternenBlick beteiligt. Das bedeutet viel Arbeit neben meiner Vollzeitanstellung, aber dieser kleine innere Motor treibt mich an, dabei zu bleiben. Da mein Publikationsprojekt inzwischen den Kinderschuhen entwachsen ist, habe ich es zusammen mit anderen Poeten zum Ende des Jahres 2018 in einen gemeinnützigen Verein umgewandelt. Gemeinsam wollen wir die Welt weiter poetisieren – auch so eine Sehnsucht…
Die Lyrik-Szene ist sehr klein
Zuerst eine Frage zur Lyrik-Szene. Was ist das Besondere an ihr?
Die Lyrikszene ist sehr klein – man munkelt, dass nur etwa 1% der Deutschen überhaupt an Lyrik interessiert sind bzw. diese regelmäßig konsumieren oder schreiben. Das ist nicht viel! Aber das gebundene Wort ist eben eine Kunstform – ein Gemälde mit Worten gemalt, mit verschiedenen Stilen. Neben der Tatsache, dass sich diese Kunstform nicht vielen erschließt, kommt hinzu, dass davon auch niemand reich werden kann.
Ein Romanautor hat die Chance, einen Bestseller zu schreiben, wenn er den Zeitgeschmack trifft. Diese Möglichkeit gibt es für Dichter nicht. Ein Gedichtband gilt schon als »Bestseller«, wenn er sich 500-1000x verkauft. Beim Bild des Dichters denken wir doch eher an Carl Spitzwegs »Der arme Poet«. Ich glaube diese beiden Umstände zusammen genommen und das Wissen darum, macht DichterInnen zu recht entspannten Zeitgenossen. In der SternenBlick-Community bin ich fast ausschließlich sehr herzlichen Menschen begegnet und das macht diese Szene für mich persönlich definitiv besonders. :)
Als Herausgeberin von Poesiebänden lernst Du Autorinnen und Autoren kennen. Kannst Du beschreiben, was sie antreibt, Gedichte zu schreiben? Ist es vielleicht auch Sehnsucht?
Ähnlich wie es bei mir ist, hat jeder Schreiber von Gedichten seine ganz eigene Geschichte, wie er oder sie zum Schreiben gekommen ist. Im SternenBlick-Blog stelle ich auch oft diese Frage und bin immer wieder gespannt auf die Antwort. Ich denke aber, wer Gedichte schreibt, verfolgt damit nicht ein bestimmtes Ziel. Er oder sie folgt der inneren Stimme, die sich auf diese Weise mitteilen möchte. Insofern würde ich es eher sehen, als Sehnsucht zu sich selbst zu finden. Wie Novalis in seinen Blütenstaubfragmenten sagte »[…] ist denn das Weltall nicht in uns? […] Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft.«
Verein statt Verlag
Viele Menschen schreiben Gedichte. Diese verstauben dann allzu oft in Schubladen oder liegen unbeachtet auf Festplatten. Was rätst Du Menschen, die Lyrik schreiben und von einer Veröffentlichung träumen?
Die Veröffentlichung von Gedichten ist in der Tat problematisch. Da sich mit Lyrik eben kein Geld verdienen lässt, gibt es nur sehr wenig (seriöse) Lyrikverlage, bei denen es mir durchaus ein Rätsel ist, wie sie sich wirtschaftlich auf den Beinen halten können.
Mit dem gewachsenen SternenBlick überlegte ich lange, ob ich einen Verlag oder Verein anstreben möchte. Ich habe mich dann für die Vereinsstruktur entschieden, um zumindest Chancen zu erhalten auf staatliche Förderung oder auch Sponsoren. Wer als DichterIn eine eigenständige Veröffentlichung – sprich einen Lyrikband – anstrebt, dem würde ich raten, sich zunächst an Ausschreibungen für Anthologien, Magazine oder Preise zu beteiligen (gerne auch bei SternenBlick).
Wer damit Erfolg hat, kann sich an einen der wenigen seriösen Lyrikverlage wenden, um dort sein Manuskript einzureichen. Insbesondere bei Gedichten gilt: Achtung vor Druckkostenzuschussverlagen. Natürlich besteht auch immer die Möglichkeit, sein Gedichtband im Selbstverlag herauszugeben – empfehlen würde ich das für den Bereich der Dichtkunst aber nur bedingt.
Veröffentlichung als Prozess
In meinem Ratgeber »Die Sehnsuchtsstrategie« vertrete ich die These, dass eine Strategie hilft, der eigenen Sehnsucht zu folgen. Hast Du eine Strategie und wie sieht sie aus?
Wie ich weiter oben erwähnte, sehe ich das Dichten und Heraustragen der eigenen Dichtung in die Öffentlichkeit eher als einen Prozess. Einen Prozess, die innere Stimme schwingen und (nach)klingen zu lassen. Entsprechend ist auch meine Strategie keine klassisch fassbare. Seit meinem Beginn mit SternenBlick im Sommer 2013 lasse ich den Dingen ihren schicksalhaften Lauf. Ich bin der Meinung, dass das Hinarbeiten auf ein festes Ziel mit einer starren Strategie zwar effektiv ist, aber es auch dazu führen kann, viele spannende Impulse gar nicht wahrzunehmen.
Innerhalb der letzten fünf Jahre bin ich vielen wundervollen Menschen begegnet, die dem Projekt immer neue positive Wendungen gegeben haben. Diese Dichter, Künstler und Unterstützer hätte ich mit einem straffen Ziel vermutlich nie kennengelernt. Ich sehe es inzwischen auch als Glück an, dass ich nicht von Anfang an wusste, wo es hingehen soll, dadurch bin ich unheimlich dankbar über alles, was WIRD. Ich setze mir höchstens immer kleine Ziele, wie die Veröffentlichung des nächsten Buches und entwickle dafür dann eine Strategie der Umsetzung. Für das große Ganze lasse ich es aber offen (und fließen).
Nächstes Ziel: Lyrikpreis
Und noch eine persönliche Frage: Was ist Dein aktuelles Sehnsuchtsziel?
Aktuell bin ich sehr gespannt auf den neuen Lyrikpreis, den wir zum »Welttag der Poesie« initiieren werden. Am 21.03. (und nur an diesem Tag für 24 Stunden) haben DichterInnen die Gelegenheit, am Preisausschreiben teilzunehmen und der Gewinner kann mit SternenBlick seinen eigenen Gedichtband realisieren. Einen eigenen Lyrikpreis habe ich schon sehr lange auf der Wunschliste, um die Poesie noch stärker zu fördern.
Neben den Zielen mit SternenBlick arbeite ich gerade an einem eigenen neuen Gedichtband mit kritischen Texten, den ich hoffentlich im Frühjahr 2019 veröffentlichen werde. Kürzlich habe ich mir auch eine halbprofessionelle Kamera zugelegt und tauche damit gerade in die faszinierende Welt der Fotografie ein. Auch wieder ein ganz neues Sehen und Erleben, auf das ich mich freue.
Fragen an Sie:
Ich freue mich, dass Sie diesen Artikel gelesen haben! Jetzt möchte ich Ihnen ein paar Fragen stellen:
- Wollen Sie Lyriker werden?
- Was treibt Sie an und was ist Ihre Sehnsucht?
- Wenn Sie selbst schon Lyriker sind: Welche Tipps würden Sie Anderen geben?
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(Veröffentlicht Februar 2019)
(Copyright 2019 by Anja Schreiber)
Vielen Dank für diesen schönen Beitrag von und über Stephanie Mattner und SternenBlick!
Zum Thema Sehnsucht kann ich von meinen lyrischen Werken das Gedicht “Sehnsucht” empfehlen: http://www.silbenton.de/sehnsucht
Wer mag, schaue sich dort um und stöbere in meiner Poesie. :-)
Herzlichen Dank für Ihren Kommentar! Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Spaß beim Schreiben! Beste Grüße Anja Schreiber
Ein sehr schöner und informativer Beitrag zum Verein SternenBlick und die Strategiefindung in lyrischen Prozessen! Das ist Futter zum Nachdenken, danke schön!
Herzlichen Dank für den Kommentar! Ich freue mich, dass das Interview zum Nachdenken anregt!