Fehler gehören zum Leben … und damit zur Arbeit. So berichten heutzutage bei „Fuckup-Nights“ Gründer über ihr Scheitern und den daraus entstehenden Chancen. Doch ein produktiver Umgang mit Irrtümern und Missgriffen ist keine Selbstverständlichkeit. Vielmehr ist ihr Verdrängen oder Dramatisieren immer noch häufig gelebter Alltag. Wenn aber die Mitarbeiter und ihre Vorgesetzten lösungsorientiert mit Fehlern umgehen, steigern sie sogar die Lernkurve.
Für wen dieser Artikel besonders interessant ist:
- Studierende, Berufseinsteiger, Berufserfahrene, Neustarter und Sehnsüchtige
In diesem Artikel erfahren Sie:
- Wie sich die Fehlerkultur verändert hat.
- Wie Sie als Führungskraft auf Fehlgriffe reagieren sollten.
- Wie Sie mit den eigenen Fehlern umgehen sollten.
- Linkempfehlungen.
- Literaturempfehlungen.
„In den letzten Jahren hat sich viel in der Fehlerkultur verändert“, erklärt Frank Rebmann, Stuttgarter Business-Coach und Autor des Buches “Der Stärken-Code”. „Bis Ende des 20. Jahrhunderts, aber auch noch später – wie die Dieselaffäre zeigt -, waren in den Unternehmen Fehler gar kein Thema.“ Statt darüber zu reden, wurden sie kollektiv verdrängt. „Erst durch die tollen Erfolge im Silicon Valley fiel es den Gründern im Nachhinein leicht, übers Scheitern zu sprechen.“ Doch der Coach kennt auch die andere Seite der scheinbar größeren Fehlerakzeptanz: „Bei vielen Firmen ist die Fehlerkultur nur ein Lippenbekenntnis.“
Werner Schienle, Geschäftsführer der CCC Creative Communication Consult, kennt aus seiner Arbeit als Mediator und Berater auch heute noch Chefs, die ein „ideologisches Verhältnis zu Fehlern“ haben. „Bei denen dürfen keine Missgriffe passieren. Deshalb müssen die Mitarbeiter für die unwichtigsten Dinge extrem viel Energie verwenden, um möglichst alle Irrtümer auszuschalten“, berichtet der Stuttgarter. So komme zu einer nahezu irrationalen Angst. Beschäftigte würden unter Druck gesetzt und seien wenig produktiv.
Die Angst vor Fehlern
Ein Spruch von Georg Wilhelm Friedrich Hegel – der sich am Gebäude des Stuttgarter Hauptbahnhofs befindet – bringt das Problem auf den Punkt: „daß diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist.“ Perfektionismus ist also keineswegs die Lösung. Denn er verhindere zwar Produktivität, aber keine Fehlleistungen. „Es entsteht vielmehr ein Teufelskreis: Mitarbeiter, die Fehler machen, werden kritisch beäugt. Dadurch machen sie noch mehr Fehler“, erklärt Schienle.
Eine produktive Fehlerkultur sieht Rebmann in der Luftfahrt. „Wenn ein Pilot zum Beispiel etwas beim Sicherheitscheck vor dem Start vergisst, macht ihn der Co-Pilot sofort darauf aufmerksam … ganz sachlich und ohne Vorwürfe. Der Pilot holt das Vergessene nach. Er bedankt sich für den Hinweis. Und das war es dann.“ So eine nüchterne Fehlerkultur empfiehlt der Coach auch anderen Branchen. Denn es geht nicht um den Austausch von Vorwürfen, sondern um Fakten und die schnelle Korrektur.
Produktiv mit Fehlern umgehen: Missgriffe akzeptieren
Zu einem produktiven Umgang mit Fehlgriffen gehört die Akzeptanz, dass diese zum Alltag gehören „Führungskräfte und Mitarbeiter müssen bereit sein, Fehler wahrzunehmen“, so Rebmann. „Meist geben Chefs genauso wie Lehrer ein vergangenheitsorientiertes Feedback. Sie beschreiben, was schlecht war, aber gehen nicht darauf ein, wie man es beim nächsten Mal besser machen könnte.“ Von zehn Führungskräften würden etwa neun ein Feedback geben, das sich mit der Vergangenheit beschäftigt. Dabei hätte ein Fokus auf künftiges Handeln einen entscheidenden Vorteil: Der Betroffene muss sich nicht für seine Fehler rechtfertigen, weil diese gar nicht im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Damit fällt es ihm auch leichter, seine Schwächen anzuerkennen und aus der Erfahrung zu lernen.
Natürlich gibt es Fehlleistungen in Unternehmen, die besonders große Konsequenzen haben. Deshalb empfiehlt Schienle Vorgesetzten, ihren Mitarbeitern eine klare Hierarchie der Wichtigkeiten an die Hand geben, um ihre Aufmerksamkeit für diese Dinge zu steigern und so die Fehlerrate zu senken. „Mir ist zum Beispiel ganz wichtig, dass meine Mitarbeiter alle Termine mit unseren Kunden akkurat dokumentieren. Deshalb kommuniziere ich das auch und erkläre, warum mir dies am Herzen liegt.“ Denn Schienle will keine Kunden durch Fehler in der Terminplanung verlieren.
Sanktionsfreiheit ist wichtig
„Entscheidend ist, dass sich Mitarbeiter und Führungskräfte gleichermaßen Fehler bei der Arbeit erlauben dürfen“, betont Rebmann. Es muss also Sanktionsfreiheit geben … und das auf allen Ebenen. Denn nur so lässt sich konstruktiv mit Missgriffen umgehen.
Auch wenn es wichtig sei, sich mit den Ursachen der Fehler zu beschäftigen, warnt Rebmann vor einem falschen Fokus. Beispiel: „Ein Mechaniker hat auf einem Flugzeugträger ein Schraubenschlüssel vergessen. Deshalb wurde ein Flugzeug stark beschädigt.“ Es sei nun wenig hilfreich zu ergründen, warum dem Mechaniker genau dieser Fehler unterlaufen ist, ob er zum Beispiel wegen privater Probleme unkonzentriert war. „Besser ist es, dafür zu sorgen, dass niemand mehr Werkzeug liegen lassen kann, weil es jetzt mit dem Gürtel verbunden ist.“
Fehler als Chance erkennen
Rebmann empfiehlt außerdem einen Perspektivwechsel: „Man sollte immer das Gute am Schlechten sehen und die Chance zum Lernen erkennen.“ So habe Mister Spock vom Raumschiff Enterprise Fehler mit dem Wort „faszinierend“ kommentiert. Dieser distanzierte, aber interessierte Blick auf Missgriffe und Irrtümer sei hilfreich.
Viel wichtiger als das Verhindern von Fehlern ist der souveräne Umgang damit, indem der Berufstätige seine Fehlleistung einräumt … nicht zerknirscht oder rechtfertigend, sondern sachlich. Wer sich dann noch um Wiedergutmachung bemüht, etwa durch eine kleine Aufmerksamkeit für die Kollegin, die das Schlamassel ausbaden musste, kann sogar einen guten Eindruck hinterlassen. Schienle: „Unternehmen, die ihre Kunden nach Fehlern zum Beispiel mit Gutscheinen beschenken, machen diese oft viel glücklicher als es diejenigen Kunden sind, die eine fehlerfreie Leistung oder Ware erhalten haben.“
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Mein Literaturtipp:
- Werner Schienle, Andreas Steinborn: Psychologisches Konfliktmanagement. Professionelles Handwerkszeug für Fach- und Führungskräfte, Springer, Wiesbaden 2016
- Frank Rebmann: Der Stärken-Code. Die eigenen Talente entschlüsseln, anerkennen und weiterentwickeln, Campus, Frankfurt/Main New York 2017
(Hauptartikel veröffentlicht in der Stuttgarter Zeitung, 2019)
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