Autoren coachen und ihnen helfen, einen Verlag oder eine Agentur zu finden: Dies hat sich Tanja Steinlechner zur Aufgabe gemacht. In dem von ihr gegründeten Schreibhain in Berlin hilft sie (angehenden) Schriftstellern, ihrem Traum vom Buch zu folgen.
Für wen dieser Artikel besonders interessant ist:
- Berufseinsteiger, Berufserfahrene, Neustarter und Sehnsüchtige
In diesem Artikel erfahren Sie:
- Wie Tanja Steinlechner zum Schreibcoach wurde.
- Was sie antreibt.
- Welche Tipps sie (angehenden) Autoren gibt.
- Linkempfehlungen.
- Literaturempfehlung.
Tanja Steinlechner: Als Schreibcoach Autoren fördern
Können Sie sich bitte den Lesern meines Blogs vorstellen?
Tanja Steinlechner: Autorin, Lektorin und Schreibcoach. Bei Dr. Hanns-Josef Ortheil studierte ich am Literaturinstitut Hildesheim, bevor es mich nach Berlin zog, in meine Wahlheimat. Neben der Literatur liebe ich das Theater und den Film, Begegnungen mit Menschen, die mich bewegen. Ich träume davon, Hörbücher einzusprechen und teile die Vorliebe für schöne Stimmen und den Klang von Worten.
Der Wunsch, Autorennachwuchs auszubilden
Wie und warum kamen Sie auf die Idee, den Schreibhain zu gründen?
In meinem früheren Leben arbeitete ich bei der Wortunion als Literaturagentin. Es war meine Aufgabe, Talente zu entdecken und diese zu möglichst guten Bedingungen bei Verlagen unterzubringen. Es ist ein natürlicher Instinkt, der mich ganz von allein antreibt: Herausragende Fähigkeiten und Begabungen, insbesondere solche, die mit Wort und Klang einhergehen, mit dem Drang, Geschichten zu erzählen, zu erkennen.
Im Gallup-Stärkentest steht bei mir auf Platz eins Höchstleistung, dass heißt mich interessieren Felder, in denen ich selbst, aber auch andere Herausragendes leisten können. Ich war also einerseits sehr richtig an meinem Platz als Literaturagentin, andererseits hatte ich nicht die Möglichkeit, mit vielversprechendem Nachwuchs an deren Texten zu feilen. Dafür war im Agenturalltag weder Raum noch Zeit.
So kam mir der Gedanke, eine Schnittstelle zu den Literaturagenturen zu werden, einen Ort zu schaffen, der es Debütanten, die ihren Stoff bei einem Verlag unterbringen wollen, ermöglicht, sich mit meiner und der Hilfe unseres Dozenten-Teams zu entwickeln. Am 28. April 2018 starten wir mit unserem achten Jahrgang der Autorenausbildung. Dafür muss man sich im Vorfeld bewerben. Am Ende der Ausbildung steht das Pitching vor Literaturagenturen und Verlagen. Es ist uns heute geglückt, wovor ich 2013 noch träumte: Ein Netzwerk zu sein, das Autorinnen und Autoren unterstützt, ihrem Traum näher zu kommen. Einige unserer Absolventen haben den Sprung geschafft und sind bei anerkannten Agenturen, zum Beispiel bei der Literaturagentur Keil & Keil, Petra Eggers und Arrowsmith unter Vertrag.
Sehnsucht als Triebfeder des Handelns
Meine Interview-Serie heißt „Sehnsucht Buch“. Spielt bei Ihrem beruflichen Werdegang die Sehnsucht eine Rolle? Oder was motiviert Sie?
Sehnsucht ist sicherlich eine große Triebfeder meines Handelns. Mein erster Schritt in eine berufliche Zukunft war die Sehnsucht, in fremde Haut zu schlüpfen, mir ein zweites, drittes, viertes Leben zu erträumen und dieses zu erleben. Mein Wunsch führte mich auf die Freiburger Schauspielschule im E-Werk, ich war gerade siebzehn Jahre jung. In meinem Dasein verknüpfte sich die Bühne und mein Schreiben. Letzteres war stärker, ich wusste dies damals nur noch nicht richtig einzuschätzen. 1991 gab es in der BRD keinen Studiengang Kreatives Schreiben, wohl aber Ausbildungsinstitute für Schauspiel.
Ich erinnere mich gut daran, dass mir einige Jahre später in Rostock, als ich auf eine staatliche Schauspielschule wechseln wollte, die Jury riet, es doch einmal mit Regie zu probieren. Der Regisseur ist dem Schriftsteller ja durchaus nicht unähnlich. Er konzipiert, er setzt seine Idee in ein übergeordnetes Werk um. Wenn es zu seinem Stil gehört, arbeitet er mit seinen Schauspielern in Wechselwirkung, lässt sich von ihren Vorschlägen inspirieren. Ich wollte beides gleichzeitig, Regie führen, also eine Idee umsetzten und mich – ähnlich einem Schauspieler – in Figuren einfühlen.
Heute gilt meine Sehnsucht meinem neuen Roman, der gerade entsteht. Ein Buch, das mit der Figur Manuels, einem Archivar, der auf der Suche nach einer verschollenen Erinnerung ist, lebendig wurde, auch wenn er nicht der Protagonist ist. Der Roman wird immer mit Manuel verbunden sein und mit Lissabon, der Stadt Pessoas, in der er mir zufiel.
Warum Menschen Bücher schreiben
Was treibt die (angehenden) Autoren an, die Sie im Schreibhain coachen? Ist dies vielleicht die Sehnsucht?
Da sind unterschiedliche Sehnsüchte am Werk. Einige wollen ihren Roman in der Buchhandlung sehen. Sie träumen von literarischer Anerkennung oder Bekanntheit. Anderen geht es zunächst einmal um eine Geschichte. Sie wollen wissen, wie sie sie bestmöglich erzählen können, eine Form finden und ihre originäre Erzählstimme. Andere wiederum wollen sich selbst nahekommen. Sie entblößen sich im Schreiben. Zwei Seiten einer Medaille: Diese ungemeine Angst und gleichermaßen größte Sehnsucht davor, erkannt zu werden. Es gibt in diesem Sinne keine gute und keine schlechte Sehnsucht. Es gibt nur verschiedene Antriebe. Wenn sie zu Literatur führen, die Leser berührt, dann wird ihr Entstehungsgrund zur Ankedote.
Nach den Sternen greifen
Was war bisher Ihre größte Herausforderung auf dem Weg in die Buchwelt? Und wie haben Sie diese bewältigt?
Ich wollte gelesen werden. Mein Traum war es, im Buchhandel sichtbar zu sein, und als mich dann das Angebot eines Verlags erreichte, meinen Erstling zu schreiben, eine Auftragsarbeit, war ich glückselig. Was ich darüber vergaß: Diese ureigene Erzählung und Stimme in mir, die einen anderen Stoff gleichzeitig schreiben wollte, auch wenn dieser noch nicht reif war.
In meinem aktuellen Projekt gehe ich dem nach – ungeachtet dessen, dass es der magische Realismus in Deutschland durchaus noch schwer hat auf dem Markt. Meine literarischen Vorbilder sind Haruki Murakami, Fernando Pessoa und Antonio Tabucchi. Auch das gehört dazu, sich zu trauen, nach den Sternen zu greifen und sich auf solch große Namen zu beziehen.
Ob ich den Schritt, von der Unterhaltung kommend in die E-Literatur nehmen kann, das wird sich zeigen. Ich persönlich bin keine Vertreterin dieser Trennschärfe, die es auf dem deutschsprachigen Buchmarkt realiter gibt. Ich schreibe auch sehr gerne Liebesromane, engagiere mich bei DELIA, der Vereinigung deutschsprachiger Liebesromanautoren und -autorinnen. Mein nächster Roman ist wieder eine Liebesgeschichte, die bereits Aufmerksamkeit verlangt. Sie will unbedingt erzählt werden. Welcher Ton ihr zu Gesicht steht, werde ich nach Beendigung meines jetzigen Projekts – Unter den Träumen (Arbeitstitel) – erkunden.
Das Handwerk erlernen
Vor welchen Herausforderungen stehen die Menschen, die Sie coachen?
Jedes Buch stellt seinen Autor vor neue Herausforderungen. Weder wir noch unsere Autoren lernen aus. Die Menschen, die zu uns kommen, stehen oft an der Schwelle zu ihrem ersten Roman. Wir unterstützen sie dabei. Es gilt, ein Handwerk zu erlernen: Zum Beispiel lebendige Figuren zu erschaffen, die Funktion von Erzählperspektiven kennenzulernen und anzuwenden und Dramaturgie zu verstehen.
Neben diesen Aspekten müssen Autoren aber noch ganz andere Fähigkeiten mitbringen und Fertigkeiten erlernen. Eine der wichtigsten ist es, mit Kritik umgehen zu lernen und zu verstehen, dass ein Feedback nicht sie persönlich meint, sondern immer dazu da ist, den bestmöglichen Text entstehen zu lassen. Das ist nicht einfach, denn auch, wenn wir nicht eins zu eins über uns schreiben, geht die Geschichte, die wir erzählen wollen, doch immer durch unseren Blick.
Netzwerk und Schnittstelle zu Verlagen
In meinem Ratgeber „Die Sehnsuchtsstrategie“ vertrete ich die These: Um unsere Sehnsucht erfolgreich zu verwirklichen, hilft eine Strategie. Bedienen Sie sich einer Strategie? Wenn das der Fall sein sollte, können Sie diese Strategie beschreiben?
Die Strategie unserer Autorenschule liegt im Konzept begründet. Wir sind ein Netzwerk, ein Ort, an dem unsere Studentinnen und Studenten wachsen und reifen dürfen, in vertrauensvoller Atmosphäre und noch nicht den Blicken der Welt ausgesetzt. Später dann sind wir Schnittstelle zu Agenturen und Verlagen. Wir heißen viele Gäste aus der Branche willkommen. Schauen Sie sich unsere Dozentenseite an, dann wissen Sie, von wem die Rede ist. Unsere Strategie ist es, erfolgreiche Absolventen mit unseren Debütanten zu vernetzen, Gespräche zu ermöglichen, einen ersten Schritt in die Branche zu begleiten.
Das alles geht nicht ohne Spaß vonstatten. Wir lieben es, das Leben zu feiern und die Literatur. Regelmäßig gibt es ein Sommer- und ein Weihnachtsfest und Werkstattgespräche im Hain. Unser Eventkalender bietet eine erste Übersicht und wer mag, kann sich in unseren Newsletter eintragen. Unsere Studierenden sollen sich jahrgangsübergreifend kennenlernen. Wir halten den Kontakt zu unseren Absolventinnen und Absolventen und freuen uns sehr, wenn sie uns auch Jahre später noch verbunden sind. Erst jüngst habe ich dies auf der Leipziger Buchmesse erleben dürfen. Wie schön, wenn sich unsere Studierenden dort begegnen. Ein fühlt sich an, wie nach Hause kommen.
Schreiben, überarbeiten und nicht aufgeben
Was sind Ihre wichtigsten Tipps, die Sie (angehenden) Autoren mitgeben?
Es gibt dererlei viele. Auf einige bin ich bereits während dieses Interviews eingegangen. Ich halte nicht viel von marketinggerechten Tipps für dieses oder jenes. Jedes Buch ist individuell, wie es unsere Autoren auch sind. Jedes Projekt bedarf eines neuen Vorgehens, wir wachsen mit unserem Schreiben, auch wenn es natürlich eines Grundhandwerks bedarf. Das Wichtigste, denke ich, ist: Lesen, lesen, lesen. Schreiben, schreiben, schreiben. Sich der Kritik stellen. Überarbeiten. Neu denken. Umschreiben. Nicht aufgeben. Bei sich bleiben. Sich selbst aushalten. Mit Kollegen an der Bar sitzen – nicht unbedingt an diesem Abend schreiben ;-) Über die eigenen Grenzen gehen, wieder und wieder sich erweitern. Lernen, unablässig. Leben. Schreiben. Und das Ganze dann wieder von vorn.
Was ist aktuell Ihr größtes Ziel? Welche Sehnsucht treibt Sie gerade an?
Eine passende Verlagsheimat für meinen Roman zu finden, noch habe ich ihn nicht angeboten. Den Schreibhain erweitern, dazu schwirren mir ein paar sehr konkrete Ideen im Kopf herum, über die ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht sprechen will. Und dann gibt es noch ein paar Dinge, womöglich außerhalb der Kunst, die aber auf sie zurückwirken. Schreiben und Leben bedingen sich, das eine bedarf des anderen.
Fragen an Sie:
Ich freue mich, dass Sie diesen Artikel gelesen haben! Jetzt möchte ich Ihnen ein paar Fragen stellen:
- Wollen Sie Autor werden?
- Was treibt Sie an und was ist Ihre Sehnsucht?
- Wenn Sie selbst schon Autor sind: Welche Tipps würden Sie Anderen geben?
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Meine Linkempfehlungen:
Mehr über Tanja Steinlechner und den Schreibhain: www.schreibhain.com
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(Veröffentlicht März 2018)
(Copyright 2018 by Anja Schreiber)
Schöner Artikel!