Die Liste der Ratgeber gegen schlechte Laune im Job ist lang, Tipps gibt es viele. Ich wollte es für die Berliner Akzente genau wissen und habe fünf ausprobiert. Meine Mission: Eine ganze Arbeitswoche gute Laune. Ein Selbstversuch.
Für wen dieser Artikel besonders interessant ist:
- Auszubildende, Berufseinsteiger, Berufserfahrene und Studierende.
Montag. Erster Tag meines Selbstversuches: Trotz Sommer regnet es in Strömen, und ich bin nur noch am Gähnen, fühle mich wie zerschlagen. Meine Gedanken wandern nach Oberbayern, wo ich die vergangenen Tage eine inspirierende Tagung besucht habe. Ich sehne mich nach der traumhaften Landschaft, dem schönen Wetter und den tollen Gesprächen. Dagegen wirkt dieser Berliner Morgen so grau, noch dazu platzt meine To-Do-Liste aus alle Nähten.
Nicht zuviel vornehmen!
Kein Wunder: Nach ein paar Tagen Abwesenheit stapeln sich die Mails im Eingangskorb, häufen sich die Anrufe auf dem Anrufbeantworter. Zwei Artikel wollen noch geschrieben werden. Das alles demotiviert. Die erste Anti-Schlechte-Laune-Methode: “Nehmen Sie sich nicht zu viel vor, sondern geben Sie sich mit kleineren Zielen zufrieden, und verwirklichen Sie diese Schritt für Schritt.” Statt wie wild drauflos zu arbeiten, gönne ich mir also einen stillen Augenblick und studiere dabei die To-Do-Liste: Was ist wirklich dringend? Was ist wichtig? Was kann warten?
Ich verschaffe mir auch einen Überblick über die Mails und Anrufe, setze Prioritäten. Dabei purzeln zwei Drittel aller Mails und über die Hälfte der Anrufe von der heutigen Aufgabenliste. Auch einen der beiden Artikel verschiebe ich auf morgen. Die Strategie “Arbeit minimieren” – ein voller Erfolg. Meine Motivation steigt, die gute Laune kehrt wieder – und am Abend habe ich wirklich alles erledigt, was ich mir vorgenommen habe.
Die Bilanz: Unbedingt empfehlenswert! Die Strategie schützt vor Überarbeitung, falschen Prioritäten und bekämpft so einen der häufigsten Gründe für schlechte Laune.
Ganz bewusst lächeln
Dienstag. Gleich am Morgen bahnt sich ein Problem an: Ein Interviewpartner hat sich nicht an eine Absprache gehalten. Obwohl ich ihm ein Interview zur Autorisierung geschickt habe, hat er sich nicht gemeldet. Ich muss nachhaken. Schließlich soll das Interview noch heute bei meinem Auftraggeber landen. Aber: Mein Gesprächspartner ist nicht erreichbar, und seine Sekretärin weiß von nichts. Sie reagiert unwillig. Na, toll! Innerlich fällt mir die Kinnlade herunter, und ich bekomme schlechte Laune. Ich probiere eine weiteren Trick gegen Übellaunigkeit: “Wenn es am Telefon schwierig wird, hilft es, die Mundwinkel ganz bewusst nach oben zu ziehen und zu lächeln. Auch wenn das Gegenüber am Telefon den Anrufer nicht sieht, überträgt sich so statt einer angespannten Stimmung eine freundliche Grundhaltung.”
Ich bin skeptisch: Kann denn ein bisschen Gesichtsgymnastik wirklich die schlechte Laune vertreiben? Es klappt tatsächlich. Ich bleibe freundlich, und die Sekretärin ist schließlich doch bereit, mir zu helfen.
Aber: Auch wenn der Tipp funktioniert hat, bezweifle ich, dass sich jede Verstimmung weglächeln lässt!
Mittwoch. Heute regnet es immer noch. Die für den Feierabend geplante Radtour mit einer Freundin und das Einkehren im Biergarten fallen ins Wasser. Wenn ich mir meine To-Do-Liste anschaue, muss ich zudem noch feststellen, dass sie wieder viel zu lang ist. Außerdem steht heute Buchhaltung auf dem Programm. Eine Arbeit, die bei mir keine Jubelstürme auslöst.
Sich belohnen
Aber gerade deshalb greife ich tief in die Trickkiste gegen schlechte Laune und versuche es mit der Selbstbelohnung. Ich nehme mir also etwas besonders Schönes vor. Am Mittag werde ich mir ein Wohlfühlessen beim Araber gönnen: Fleischspieß mit Reis, viel Salat und schön scharfen Peperoni. Und den Abend werde ich trotzdem mit meiner Freundin verbringen. Dann halt ohne Fahrradtour!
Und tatsächlich: Der Tag wird richtig schön! Mein Lieblingsessen und der Klön bei meiner Freundin, die zu meiner großen Überraschung ein superleckeres Abendessen mit Backgemüse, Tsatsiki und Fladenbrot gezaubert hat, belohnt mich für die harte Arbeit in Sachen Buchhaltung.
Die Bilanz: Sich selbst gerade an schwierigen Tagen etwas Gutes zu gönnen, ist ein Super-Tipp! Ich neige nämlich dazu, an diesen Tagen die Selbstfürsorge eher zu vernachlässigen. Und ich kenne viele, denen es ähnlich geht.
Donnerstag. Weiterhin regnerisch und ungemütlich. Und ein schwieriger Kunde raubt mir den letzten Nerv. Zwar bleibe ich freundlich und höflich, fühle mich aber nach dem Telefonat wie durch die Wäschemangel gedreht. Die Motivation ist auf ihren Tiefpunkt abgerutscht.
Kaffeeduft als Motivator
Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt für einen weiteren Tipp: “Gehen Sie in eine Bäckerei oder Kaffeerösterei und atmen Sie ganz bewusst den Duft frischer Backwaren oder von frisch gemahlenem Kaffee ein.” Kaffeeduft gegen den Durchhänger? Ich will nicht so recht an die “Wunderwaffe” glauben, stapfe trotzdem tapfer in den nächsten Coffeeshop und genieße einen heißen Latte Macchiato. Das tut für den Augenblick wirklich gut! Aber ein richtiger Motivationsschub sieht anders aus.
Mein Fazit: Bestimmte Schlechte-Laune-Auslöser lassen sich auch nicht wegschnuppern!
Freitag, der letzte Tag des Selbstversuches: Über das regnerische Sommerwetter rege ich mich schon lange nicht mehr auf, wohl aber über die Tatsache, dass sich scheinbar alle von mir angerufenen Pressestellen zum Ziel gesetzt haben, meine Anfragen nicht zeitnah zu bearbeiten. “Erlauben Sie sich selbst und anderen, ab und zu Fehler zu machen”, lautet deshalb für heute die Strategie.
Perfektionismus bekämpfen
Ich atme tief durch und überlege, wie schwer mir das gerade jetzt fallen wird. Doch dann wird mir klar, dass ich gegen die Trödelei Dritter sowieso nichts ausrichten kann. Es ist also ratsam und viel entspannender, einfach mal darauf zu vertrauen, dass ich alle nötigen Informationen schon rechtzeitig erhalten werde.
Eigentlich gar keine so schlechte Idee, sich vom Perfektionismus zu verabschieden. Aber dieser Tipp ist trotzdem nicht so recht alltagstauglich, denn es ist einfach schwer, sich andere Gedanken zu verordnen.
Fazit: Mein Lieblingstipp gegen schlechte Laune ist die Entrümpelung von To-Do-Listen. Meist steht viel zu viel auf der Liste, so dass dieses Sammelsurium oft eher ein Motivationskiller als alles andere ist. Habe ich erst einmal ein paar Punkte gestrichen, steigt mein Gute-Laune-Pegel deutlich. Noch besser wird meine Laune, wenn ich mich für geleistete Arbeit bewusst belohne. Auch diesen Tipp kann ich nur empfehlen!
Info: Warnsignal Jobfrust
Gegen schlechte Laune am Arbeitsplatz gibt es zwar Gegenmittel – dennoch gilt sie auch als Warnsignal, dass etwas gehörig falsch läuft. Studien zeigen immer wieder: Berufliche Unzufriedenheit ist in Deutschland weit verbreitet. So hat eine Umfrage des Personaldienstleisters Kelly Services ergeben, dass rund ein Drittel der deutschen Arbeitnehmer mit ihren Arbeitsbedingungen nicht zufrieden sind. “Schlechte Laune ist wie ein rotes Lämpchen, das dann aufleuchtet, wenn der Ist- und der Sollzustand auseinanderklaffen. Sie lädt zur Spurensuche ein, ob dem Betroffenen irgendetwas fehlt”, sagt Thomas Prünte, Psychologe und Autor des Buches “Vom Sinn schlechter Laune”.
Diese Selbstreflexion sei der erste Schritt. Deshalb rät Prünte, sich bei anhaltender gedrückter Stimmungslage eine “Stille Stunde” zu gönnen, sich mit Freunden auszutauschen oder Tagebuch zu führen, um herauszufinden, welches elementare Bedürfnis übergangen wurde. So könnten Berufstätige erkennen, ob Über- oder Unterforderung im Job, eine Kränkung oder Konflikte mit dem Chef das Stimmungstief ausgelöst haben.
Literaturtipps:
Thomas Prünte: Vom Sinn schlechter Laune. Warum es gut tut, sich schlecht zu fühlen, Orell Füssli, Zürich 2010, 192 Seiten, 19,90 Euro.
Kirsten Khaschei: Schon wieder Montag … 50 Ideen, mit denen Sie den Jobfrust überwinden, Frankfurt 2009, 192 Seiten, 14,90 Euro.
(Veröffentlicht in Berliner Akzente, August 2011)
(Copyright 2011 by Anja Schreiber)