Menschen sind gar nicht so rational, wie sie sich gerne darstellen… das ist im Privatleben genauso wie Job. So beeinflussen eine Vielzahl psychologischer Phänomene den beruflichen Alltag. Oft werden sie sogar zu Denkfallen. Die Autoren Jochen Mai und Daniel Rettig sind in ihrem neuen Buch “Ich denke, also spinn ich” auf Entdeckungstour gegangen und haben mehr als 120 psychologische Effekte entlarvt, die uns Menschen hinters Licht führen. Hier eine jobrelevante Auswahl:
Für wen dieser Artikel besonders interessant ist:
- Auszubildende, Berufseinsteiger, Berufserfahrene, Schulabgänger und Studierende.
Der Halo-Effekt
Ein Harvardabsolvent kann noch so einen Unsinn reden: Die allermeisten in seiner beruflichen Umgebung werden seine Äußerungen für brillant halten. Dieses Phänomen nennt man Halo-Effekt (“Halo”: Englisch für “Heiligenschein”). Es handelt sich dabei um einen Wahrnehmungsfehler: Einzelne Eigenschaften einer Person überstrahlen alle anderen Eigenschaften und dominieren oder verfälschen somit den Gesamteindruck.
Der Hindsight-Bias
“Das habe ich doch gleich gewusst.” Solch einen Kommentar wird jeder schon mal in seinem Berufsleben gehört haben. Er beschreibt eine weitere Denkfalle: Wir Menschen neigen dazu, im Nachhinein unsere Aussagen und Gedanken so lange umzuinterpretieren, bis sie zum später eingetretenen Ereignis passen. Egal ob bei der Wettervorhersage oder in der Einschätzung von Ereignissen… gerade Kollegen mit einem starken Drang zur Selbstdarstellung erliegen am häufigsten solchen Rückschaufehlern.
Die Entscheidungsparalyse
Ein Chef trifft keine Entscheidung, obwohl das längst überfällig ist. Ein Arbeitnehmer hat schon lange innerlich gekündigt, zieht daraus aber keine Konsequenzen. Wenn sich Menschen im Berufsalltag so oder ähnlich verhalten, dann leiden sie häufig an einer Entscheidungsparalyse: Sie müssten eigentlich eine Entscheidung treffen, drücken sich aber davor. Sie halten einfach am Altbewährten fest, so suboptimal das auch ist. Doch auch dieses Verhalten ist eine Entscheidung!
Der Confirmation-Bias
Chefs umgeben sich gern mit Mitarbeitern, die ihnen nach dem Mund reden. Entscheider in Unternehmen ziehen häufig die Informationen heran, die ihre Meinung bestärken. Dieses Phänomen kannte schon der englische Philosoph Francis Bacon. Er beschrieb, dass der menschliche Verstand – hat er sich erst einmal eine Meinung gebildet – alles heranzieht, um diese zu bestätigen. Was dabei auf der Strecke bleibt, sind Flexibilität und die Möglichkeit, seinen Horizont zu erweitern.
Der Wiederholungseffekt
Warum glauben Mitarbeiter und Chefs bestimmten Aussagen mehr als anderen? Das kann zum Beispiel am Wiederholungseffekt liegen. Denn meist schenken Menschen einer Aussage mehr Glauben, je häufiger sie wiederholt wird. Es ist also Vorsicht angebracht: Meinungen und Urteile werden durch ständige Wiederholung eben nicht “wahrer”.
Das Helfersyndrom
Der allzu dienstbereite Mitarbeiter, die immer Kuchen mitbringende und Kaffee kochende Kollegin … das sind die typischen Kollegen mit Helfersyndrom. Bei diesen Menschen ist das Helfen längst Mittel zum Zweck geworden. Sie können nicht “Nein” sagen, sie müssen helfen und benötigen das Gefühl, gebraucht zu werden. Das Problem ist aber, dass ihre eigene Arbeit vor lauter Hilfsmaßnahmen für Dritte leidet.
Das TINA-Prinzip
“Das haben wir schon immer so gemacht!” “Das hat noch nie funktioniert!” Wer kennt nicht diese Phrasen aus seinem Berufsalltag? Solche Aussagen haben alle nur ein Ziel: Andere auszubremsen, zum Beispiel in ihrem Veränderungs- und Innovationswillen. Wer diese Phrasen benutzt, macht sich den TINA-Effekt zu eigen. Dabei ist TINA das Akronym für “There Is No Alternative”. Wichtig ist also, diese Aussagen als das zu entlarven, was sie sind: Killerphrasen.
Literaturtipp:
Jochen Mai, Daniel Rettig: Ich denke, also spinn ich. Warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2011, 384 Seiten, 14,90 Euro, ISBN: 978-3-423-24873-0
(Veröffentlicht bei GMX.de, August 2011)
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