Ratgeber gegen den Frust am Arbeitsplatz gibt es viele. Doch oft verhallen die gut gemeinten Ratschläge. Horst Conen, Psychologe, Coach und Autor des Buches “Sei gut zu dir, wir brauchen dich” kennt den Weg heraus aus der Misere: Er empfiehlt den liebevollen Umgang mit sich selbst – das Take-Care-Prinzip.
Für wen dieser Artikel besonders interessant ist:
- Berufseinsteiger, Berufserfahrene und Neustarter.
“Selbstfürsorge ist für viele Berufstätige wie ein Fremdwort”, berichtet Conen. Der Hinweis, sich selbst etwas Gutes zu tun, verpufft meist ergebnislos. Im Gegenteil: Oft erhöhen die Beschäftigten selbst den Druck, zum Beispiel durch überhöhte Ansprüche an sich selbst und ungute Verhaltensmuster wie etwa Perfektionismus.
Besser mit sich umgehen
“Es gab noch nie so viele psychosomatische Krankheiten wie im vergangenen Jahr, die durch Stress im Berufsalltag entstanden sind”, betont Conen. Wer aber mit sich selbst besser umgeht, erhöht nicht nur seine Lebensqualität und ist gesünder, sondern ist häufig auch leistungsstärker und erfolgreicher.
Der Coach empfiehlt nicht in erster Linie Sport oder ein Wellness-Wochenende, sondern Selbstreflexion: “Ohne diese sind Berufstätige nach einer Auszeit ganz schnell wieder genauso gestresst wie vorher.” Eine Frage kann dabei helfen: „Was sind die negativen Glaubenssätze, nach denen ich handle?“ Solche Sätze sind zum Beispiel: “Du bist eine Enttäuschung” oder “Das schaffst Du nie”. In der Regel haben Menschen, die von solchen Sätzen geprägt sind, überzogene Ansprüche an sich selbst. “Besser ist es aber, diese negativen Botschaften ins Positive zu wenden. Machen Sie sich also lieber bewusst, dass Sie okay sind! Denn wer sich selbst mag und nicht abwertet, muss sich auch nicht ständig selber etwas beweisen.” So setzt man sich selbst weniger unter Druck und behandelt man sich wohlwollender.
Take-Care-Prinzip
Zum Take-Care-Prinzip gehört auch, sich im Alltag kleine Inseln der Erholung zu schaffen: “Gestressten Klienten rate ich eine halbe Stunde früher aufzustehen. So haben sie noch etwas Zeit für sich. Lauschen Sie zum Beispiel in dieser Zeit auf die Stille, zünden Sie eine Kerze an oder schauen Sie aus dem Fenster”, betont Conen. “Wer auf diese Weise ruhig und gelassen den Tag beginnt, schafft einen Puffer zwischen sich und dem Alltagsstress! Das ist eine Investition in Ihre innere Balance!”
Conen kennt noch andere solcher Investitionen. So empfiehlt er zum Beispiel Berufstätigen, ihren Eigensinn zu bewahren und zu kultivieren. “Studien haben herausgefunden, dass Exzentriker oft gesünder als ihre nichtexzentrischen Mitmenschen sind. Schmettern Sie also im Sommer Weihnachtslieder, wenn das zum Beispiel ein Spleen von Ihnen ist und es einfach Spaß macht.”
Wer gut für sich selbst sorgen will, sollte nicht auf Negatives fokussiert sein, sondern lernen, das Positive im Leben wahrzunehmen. Conens Tipp: Stecken Sie eine Handvoll trockener Bohnen in Ihre rechte Hosentasche. Immer, wenn Sie etwas Schönes erlebt haben, ob nun das Lächeln einer Kollegin oder die Regenpause auf dem Heimweg, lassen Sie eine Bohne von der rechten in die linke Hosentasche wandern. So bemerken Sie, wie viele schöne Momente es jeden Tag gibt.
Innerer Abstand
Für alle, die unter ihren schwierigen Kollegen und Chefs leiden, hat der Coach ebenfalls einen Rat parat: “Versuchen Sie es mal mit innerem Abstand! Fühlen Sie sich nicht persönlich angesprochen, sondern sehen Sie sich einfach als Touristen, der sich über das merkwürdige Verhalten dieser Menschen wundert.”
Außerdem empfiehlt Conen, einen Freundschaftsvertrag mit sich selbst abzuschließen, der zum Beispiel den Umgang mit sich selbst oder mit den eigenen Lebensträumen regelt. “Wer diesen Vertrag immer mal wieder hervorholt, verirrt sich nicht ständig in Nebensächlichkeiten, sondern behält seine wahren Ziele im Blick.”
Literaturtipp:
Horst Conen: Sei gut zu dir, wir brauchen dich. Vom besseren Umgang mit sich selbst, Campus, Frankfurt/Main 2011, 262 Seiten, 19,99 Euro, ISBN: 978-3-593-39543-2
(Veröffentlicht bei GMX.de, März 2012)
(Copyright 2012 by Anja Schreiber)