Wer sich überlegt, als Deutscher in der Schweiz zu arbeiten, fragt sich vielleicht, wie sich das “Ja” zur Volksinitiative “Gegen Masseneinwanderung” auf seinen Wunsch auswirken wird. Doch noch gibt es keine Änderung der bestehenden Praxis! Bundesbürger können also ohne Einreisebeschränkungen in der Eidgenossenschaft eine Arbeit aufnehmen.
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“In den nächsten drei Jahren wird sich an der momentanen Gesetzeslage wohl kaum etwas ändern”, betont Annegret Zimmermann, Leiterin der Konsularabteilung an der Schweizerischen Botschaft in Berlin. “Das bedeutet: Jeder Bundesbürger kann in der Schweiz einen Job annehmen. Er hat die Möglichkeit, mit einem Arbeitsvertrag einzureisen oder als Tourist ins Land zu kommen und dann innerhalb von 90 Tagen eine Stelle zu suchen.” Nur wer länger als drei Monate in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachgehen will, muss sich vor dem Arbeitsbeginn innerhalb von 14 Tagen bei seiner eidgenössischen Wohngemeinde anmelden und eine Aufenthaltsbewilligung beantragen. Unter drei Monaten ist nur eine Anmeldung von Nöten.
Iris Opitz, Geschäftsführerin der “CB Vermittlung & Beratung” in Cottbus berichtet, dass aber vor der Arbeitsaufnahme ein Gesuch auf Arbeitsbewilligung bei der zuständigen kantonalen Behörde eingereicht werden muss. “Dieses muss vorliegen, bevor Ausländer ihre Stelle in der Schweiz antreten. In vielen Fällen kümmert sich darum der Arbeitgeber.”
Immer wieder fragen bei der Cottbusser Vermittlungsagentur in Deutschland lebende Migranten nach Beschäftigungsmöglichkeit in der Eidgenossenschaft: “Die Freizügigkeit gilt nur für Bürger mit einer Staatsangehörigkeit der EU- und EFTA-Staaten”, erklärt Opitz.
Wie sich die anstehende Gesetzesänderung auf dieses Verfahren auswirkt, kann Zimmermann nicht prognostizieren: “Bis Ende Juni tagt eine Expertenrunde zum Thema. Für Ende des Jahres ist dann mit einer Gesetzesvorlage zu rechnen.”
Weiter Bedarf an ausländischen Mitarbeitern
Doch auch nach der Gesetzesänderung wird es in der Schweiz Bedarf an ausländischen Mitarbeitern geben. “Gerade im Gesundheitswesen ist der Mangel an qualifiziertem Personal sehr hoch. Deshalb gehe ich davon aus, dass Deutsche mit einem Arbeitsvertrag auch weiterhin keine Probleme mit einem Aufenthaltsrecht in der Schweiz haben werden”, betont Conny Heidelberger, betont Conny Heidelberger, Bereichsleiterin für Rekrutierung und Marketing der Careanesth AG, einer Vermittlungsagentur für Jobs im Schweizer Gesundheitswesen mit Sitz in Zürich. “Auch angesichts der Pensionierungswelle, die auf unser Land zukommt, kann ich mir nicht vorstellen, dass bei uns in Zukunft deutsche Arbeitnehmer Schwierigkeiten mit dem Ausländerrecht bekommen.” Probleme mit Ausländerfeindlichkeit sieht Heidelberger trotz des Referendums nicht: “Die Schweizer sind nicht rassistisch. Das zeigen die Befragungen der von uns vermittelten Deutschen.”
Als Vermittlerin weiß Iris Opitz, dass einige Deutsche nur wenige Wochen oder Monate in die Schweiz gehen, um sich von dem dort verdienten Geld größere Anschaffungen leisten zu können. “Ein Elektriker, der hier nur mitunter 1000 Euro netto im Monat verdient, wird in der Eidgenossenschaft abhängig vom Währungskurs leicht über 3500 Euro kommen.”
Die Vermittlerin, die sich auf Stellenvermittlung in die Schweiz spezialisiert hat, rät allerdings zur Vorsicht: “Bewerber sollten allzu rosigen Versprechungen weit über dem Tariflohn nicht trauen und sich unbedingt vorher den Arbeitsvertrag schicken lassen.” Und noch ein Tipp: “Anders als in Deutschland gilt in der Schweiz auch die mündliche Kündigung.” Das sollten Arbeitnehmer wissen, damit sie keine bösen Überraschungen erleben.
Unterschiedliche Steuern
Doch nicht nur die Verdienstmöglichkeiten sind in der Schweiz attraktiv. So gibt es in der Eidgenossenschaft zum Beispiel für Pflegekräfte noch andere Vorteile: “Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit zwischen Pflege und Ärzteschaft kollegial und unkompliziert. Wahrscheinlich sind die Schweizer Krankenhäuser weniger hierarchisch organisiert als in Deutschland. Außerdem haben die Pflegekräfte mehr Kompetenzen”, erklärt Heidelberger.
Wer in der Schweiz Geld verdient, unterliegt selbstverständlich der Einkommenssteuergesetzgebung der Eidgenossenschaft. “Jeder der 26 Kantone hat ein eigenes Steuergesetz. Dabei kann die Steuerbelastung sehr unterschiedlich sein”, berichtet Zimmermann. Grundsätzlich haben auch Ausländer die Pflicht, eine jährliche Steuererklärung abzugeben. “Deutsche sollten unbedingt bedenken, dass es bei uns allgemein üblich ist, die Bruttogehälter auszuzahlen und erst später seine Steuerschuld zu begleichen.” Deshalb ist es für Ausländer ratsam, sich zu informieren, ob diese Besteuerungsart auch auf sie zutrifft. Das kann je nach Aufenthaltsstatus und Einkommenshöhe variieren. “In diesem Fall sollten sie Geld für die Bezahlung der Steuern zurücklegen.”
Grundsätzlich gehört auch Deutschland zu den Ländern, mit denen die Schweiz ein Abkommen geschlossen hat, um Doppelbesteuerung zu vermeiden. Dennoch empfiehlt Zimmermann, sich über die Rechtslage in Deutschland genau zu informieren. Die könne im konkreten Fall unterschiedlich aussehen, zum Beispiel bei einem zweiten Wohnsitz. “In der Eidgenossenschaft berufstätige Deutsche sollten einen Steuerberater haben, der sich mit den steuerlichen Belangen zum Thema Arbeit in der Schweiz auskennt”, betont Opitz.
Auch in Sachen Krankenkasse kennt sich Opitz aus: “Bis zum dritten Monat besteht keine Krankenversicherungspflicht. Erst danach ist eine Krankenabsicherung Pflicht, die der Arbeitnehmer komplett selbst zahlen muss. Sie liegt in der Höhe von etwa 120 bis 200 Euro monatlich und sieht eine Selbstbeteiligung in einer selbst gewünschten Höhe vor, hat aber nicht den gleichen Leistungsumfang wie in Deutschland.” Opitz rät trotzdem, sich vom ersten Arbeitstag an zu versichern, sich aber bei kürzeren Aufenthalten in der Schweiz auf die Grundversicherung zu beschränken und erst nach längerer Zeit weitere Leistungen hinzuzufügen.
In Sachen Auto und Führerschein müssen deutsche Arbeitnehmer in ihrer allerersten Zeit in der Schweiz nicht aktiv werden: Während der ersten zwölf Monate können sie ohne weiteres die Fahrzeuge lenken, die in ihrem Führerschein aufgeführt sind. Erst nach dieser Frist müssen sie ihren deutschen Führerschein gegen einen schweizerischen eintauschen. Und auch bei Autos gilt: Sind sie länger als ein Jahr in der Eidgenossenschaft, müssen sie mit einem einheimischen Fahrzeugausweis und Nummernschild versehen werden.
(Veröffentlicht bei der Süddeutschen Zeitung, März 2014)
(Copyright 2014 by Anja Schreiber)