“Was mit Musik machen!”… Das ist oft der Berufswunsch von jungen Leuten, die sich ein Leben ohne Konzerte und MP3-Player nicht vorstellen können. Und dazu müssen sie noch nicht einmal selbst auf der Bühne stehen, denn die Musikbranche bietet eine große Vielfalt an Arbeitsfeldern.
Für wen dieser Artikel besonders interessant ist:
- Berufseinsteiger, Berufserfahrene, Schulabgänger und Eltern.
Auch der 21-jährige Stefan Lösch hat sich für die Musikindustrie als Berufsperspektive entschieden. Er arbeitet bei der Booking-Agentur Chimperator Live, die – genauso wie die Platten- und Mutterfirma Chimperator – in Stuttgart zu Hause ist. Vor zwei Jahre machte er nach seinem Abitur ein sechsmonatiges Praktikum bei dem Stuttgarter Independent-Label, das inzwischen so namhafte Künstler wie den Rapper Cro unter Vertrag hat. “Ich hatte das Glück, zu einer Zeit dazuzustoßen, als Chimperator Live wuchs”, berichtet Lösch.
Heute arbeitet Lösch als sogenannter Booker: Er organisiert die Auftritte der Musiker, bearbeitet die Anfragen von Veranstaltern und handelt die Konditionen aus. Außerdem ist er auch Tourmanager. “Ich begleite die Bands bei ihren Touren und sorge dafür, dass alles funktioniert und alle glücklich sind”, erklärt Lösch.
Doch nicht nur Booker ist ein mögliches Berufsbild, auch Produktmanager oder Musikpromotor – also Musikvermarkter – sind Berufe in der Branche. Das Business braucht aber auch A&R-Manager. A&R steht dabei für Artists and Repertoire. “Diese Leute suchen im Auftrag eines Labels nach neuen Künstlern”, erklärt Dr. Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie. “Während Musikpromotoren oft Quereinsteiger sind, greift die Branche auch auf Akademiker wie Betriebswirtschaftler oder Hochschulabsolventen mit Marketing-Spezialisierung zurück. Die finden zum Beispiel im Controlling oder Marketing einen Job.”
Grundstimmung positiv
Die Grundstimmung in der Musikbranche bewertet Drücke positiv: “Die Einnahmen aus dem digitalen Geschäft steigen. Sie haben inzwischen einen Anteil von 24,5 Prozent erreicht.” Allein die Downloadumsätze konnten in den vergangenen Jahren um rund ein Viertel pro Jahr zulegen. Die CD bleibt aber mit einem Marktanteil von rund 68 Prozent weiterhin Rückgrat der deutschen Musikwirtschaft.
Eine regelrechte Ausbildung hat Lösch nicht gemacht: “Natürlich habe ich mir überlegt, ein Studium zu absolvieren, zum Beispiel an der Popakademie Baden-Württemberg. Allerdings ist das mit dem momentanen Wachstum der Firma nicht vereinbar. Zu einem späteren Zeitpunkt kann ich mir aber gut vorstellen die gesammelte praktische Erfahrung noch mit einem Studium zu kombinieren.
Drücke betont, dass es sehr verschiedene Wege in die Musikbranche gibt: “Die meisten Jobs sind keine klassischen Ausbildungsberufe. Sie setzen auch nicht notwendigerweise ein Studium voraus.” In der Regel bieten Praktika zum Beispiel bei Plattenfirmen oder Künstler- und Booking-Agenturen einen guten Einstieg. “Praktikanten, die überzeugen, finden häufig auch einen Job.”
Praktische Erfahrung zählt
Besonders wichtig ist praktische Erfahrung. “Wer in die Musikindustrie will, sollte schon vor dem eigentlichen Berufsstart in einer Band spielen oder Veranstaltungen organisieren und natürlich für das Musikbusiness brennen”, erklärt Drücke.
Auch Stefan Lösch hatte vor seinem Praktikum bei Chimperator schon reichlich Erfahrung gesammelt. So rief er bereits als Jugendlicher das KuRT Festival in Reutlingen mit ins Leben. Auch beim Ract! Festival in Tübingen und verschiedenen selbst veranstalteten Konzerten konnte er seine Stressresistenz und planerischen Qualitäten als Organisator unter Beweis stellen.
Sebastian Andrej Schweizer, Mitbegründer von Chimperator, betont ebenfalls den Wert der Erfahrung: “Wer bei uns arbeiten will, der sollte sich schon in der Szene auskennen. Er muss nicht unbedingt einen Studienabschluss vorzeigen können, aber er sollte schon mal Konzerte veranstaltet oder ein Tape veröffentlicht haben. In jedem Fall braucht er Leidenschaft fürs Musikbusiness.”
Voraussetzung: Leidenschaft
Praxiserfahrung und Leidenschaft sind auch Voraussetzungen, um an der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim studieren zu können. “Bei den wenigen Studienplätzen, die wir anbieten können, wollen wir nur Leute aufnehmen, die uns überzeugen können unbedingt in die Branche zu wollen”, betont Prof. Hubert Wandjo, Geschäftsführer der Popakademie. Sie bietet sowohl Bachelor- und Masterstudiengänge in Popmusik als auch Bachelor- und Masterstudiengänge im Fachbereich der Musik- und Kreativwirtschaft an.
So vermittelt der Musikbusiness-Studiengang einerseits Grundlagen der Betriebswirtschaft, andererseits aber auch spezifische Kenntnisse der Musikwirtschaft und der neuesten Trends in der digitalen Welt. Wandjo: “Wer bei uns den musikwirtschaftlichen Studiengang absolviert, bekommt auch einen Einblick in die künstlerische Arbeit.” Außerdem legt die Popakademie viel Wert auf den praktischen Teil des Studiums. So arbeiten die Studierenden auch an Projekten, die zum Beispiel in Kooperation mit Plattenfirmen entstehen.
Wandjos Meinung nach wird ein akademischer Abschluss in der Branche immer wichtiger: “Bevölkerten die Musikindustrie früher vor allem Quereinsteiger, wird inzwischen immer mehr fundiertes Wissen gebraucht. Denn das Geschäft wird gerade durch die Digitalisierung immer komplexer.”
Sebastian Schweizer ist ein Beispiel dafür, dass die Mischung aus viel Praxis und akademischen Input zum Erfolg führt: Er selbst hat mit Christian Schädle und Steffen Wendelstein 1999 das Label Chimperator gegründet. Nebenbei hat er studiert … zuerst an der Hochschule für Medien in Stuttgart und später an der Popakademie. “Lange Zeit haben nur die Künstler Geld verdient, wir nicht. Unseren Anteil steckten wir gleich wieder in neue Projekte.” Inzwischen gibt der Erfolg Schweizer Recht: Nicht zuletzt durch Cro ist das Stuttgarter Label auch kommerziell erfolgreich.
(Veröffentlicht in der Stuttgarter Zeitung, September 2013)
(Copyright 2013 by Anja Schreiber)