Das E-Book wird immer beliebter. Und damit nicht genug: Durch die Digitalisierung ist die Buchbranche im Wandel. Damit ändern sich auch die Anforderungen an Mitarbeiter … und für Einsteiger entstehen neue Chancen.
Für wen dieser Artikel besonders interessant ist:
- Berufseinsteiger, Schulabgänger, Studierende und Eltern.
Die 34-jährige Emily Bold hat eine dieser Chancen ergriffen und ist zur E-Book-Autorin geworden. Sie gehört heute zu den bekannten deutschen Selfpublishern, also zu den Autoren, die ihre Bücher nicht bei einem Verlag veröffentlichen, sondern selbst vertreiben … größtenteils als E-Book. “Für mein Erstlingswerk – ein historischer Liebesroman – fand ich keinen Verlag. Denn damals war der Markt in diesem Genre von US-Autoren mehr als nur gesättigt”, berichtet die aus Franken stammende Schriftstellerin. “Für die Verlage war es nicht interessant, in mich als Debütantin zu investieren, weil sie bereits bekannte und erfolgreiche Autoren in ihrem Programm hatten.”
Da brachte Bolds Mann sie auf die Idee, ihr Buch als E-Book auf den Markt zu bringen … im damals neuen “Kindle Direct Publishing-Programm” von Amazon. Das war 2011. Inzwischen kann Emily Bold von ihrer Schriftstellerei leben. “Ich habe mittlerweile fünfzehn deutschsprachige und sechs englischsprachige Romane veröffentlicht und mehr Bücher verkauft, als ich es mir je hätte vorstellen können”, berichtet Bold, die inzwischen auch Autorin des Ullstein Verlags ist.
Vor ihrer Zeit als Schriftstellerin war Bold Chemielaborantin. “Mein erlernter Beruf bot mir reichlich Abwechslung und machte mir viel Spaß – das Schreiben war also keinesfalls der Versuch, aus meinem bisherigen beruflichen Feld auszubrechen.” Ohne Selfpublishing und das Medium E-Book würde sie – da ist sich die Autorin sicher – heute noch als Laborantin arbeiten.
“Ob das Selfpublishing für jeden der richtige Weg ist, kann ich nicht beurteilen. Niemand darf den Fehler machen, den Aufwand zu unterschätzen – denn auch wenn es mittlerweile Dienstleister für fast alles gibt, bleibt neben dem Schreiben noch jede Menge andere Arbeit an einem hängen.” Schließlich ist der Autor auch für die technische Erstellung des E-Books und seines Covers zuständig. Er muss sich außerdem um das Lektorat und das Marketing kümmern. Bold: “Wer aber die Arbeit nicht scheut, hat gute Chancen, seine Zielgruppe zu erreichen… vorausgesetzt, sein Marketing stimmt.”
Neue Stellen und Start-ups
Wie sehr sich die Bücherwelt verändert, beobachtet auch der Journalist Matthias Matting, der in seinem Internetblog Selfpublisherbibel.de über die neuesten Entwicklungen des Selfpublishing informiert: “Noch vor drei Jahren waren Selbstverleger für die Leser kaum sichtbar. Durch die E-Books ist das anders geworden.” Heute kann ein Autor sein Buch beim “Kindle Direct Publishing-Programm” von Amazon hochladen oder einen Dienstleister beauftragen, der das E-Book auf den verschiedenen Plattformen verteilt. “Es gibt Prognosen, die davon ausgehen, dass bis zum Jahr 2020 der Anteil der E-Books am Gesamtumsatz von heute zehn Prozent auf 25 Prozent steigen wird.”
Das heißt aber nicht, dass jeder schon gleich davon leben kann. Matting schätzt, dass von den 70.000 Autoren in Deutschland, die sich auf den verschiedenen Plattformen finden, etwa 50 bis 100 davon leben können. Er sieht aber für verschiedene Berufsgruppen Chancen, durch das Selfpublishing zusätzliche Einnahmen zu gerieren: “Das Selfpublishing bietet zum Beispiel Schriftstellern, die nach zehn Jahren ihre Rechte von einem Verlag zurückbekommen, eine weitere Veröffentlichungsalternative.” Journalisten könnten so ebenfalls ihre Recherchen weiterverwerten.
Auch die Verlagswelt wandelt sich: “Mittlerweile bieten zwei Drittel aller Verlage E-Books an, darunter sämtliche großen Marktführer”, so Monika Kolb-Klausch, Bildungsdirektorin beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Die digitalen Produkte verändern auch den Bedarf an Mitarbeitern: “In der E-Book-Herstellung schaffen die Verlage neue Stellen.” IT-Experten würden genauso gebraucht wie Mitarbeiter im Online-Marketing. Die Veränderungen in der Buchbranche führen außerdem zu der Gründung von Startups, die Dienstleistungen für die Branche anbieten. Kolb-Klausch: “Themen wie E-Publishing, Social Media und Online-Marketing sind inzwischen für die verschiedensten Berufsgruppen in den Verlagen von zentraler Bedeutung.”
Der digitale Wandel hat auch große Auswirkungen auf die Beratungs- und Verkaufswege: “Immer mehr Buchhändler werden digital aktiv, sie haben ihren eigenen Webshop oder bieten eine Einkaufs-App für Smartphones an“, erklärt Kolb-Klausch. “Wer heute diesen Beruf ergreift, sollte solchen neuen Trends offen gegenüberstehen.” Auch der Kundenservice bekommt ein neues Gesicht: “Viele Buchhandlungen haben inzwischen ein eigenes Veranstaltungsprogramm oder informieren ihre Kunden über Newsletter. “
Susanne Haselhorst, Personalleiterin beim medizinischen Fachverlag Georg Thieme, erwartet von Bewerbern ebenfalls Interesse an elektronischen Medien: “Sie sollten ein Gespür dafür haben, welche Informationskanäle – ob zum Beispiel App oder Buch – für bestimmten Zielgruppen sinnvoll sind.” Was zählt, ist außerdem die Leidenschaft für Wissensaufbereitung und Interesse an medizinischen Themen. Das Studienfach ist weniger entscheidend. Denn der Stuttgarter Verlag stellt als Volontäre und Redakteure nicht nur Mediziner und Biologen ein, sondern zum Beispiel auch Geisteswissenschaftler.
Wie multimedial die Arbeit im Thieme Verlag ist, beweist die Tätigkeit der 33-jährige Dr. Katharina Schäfer. Die Biologin entwickelt als Redakteurin Lernmaterial für Auszubildende in Pflegeberufen. “Ich erstelle zum Beispiel Online-Portale, arbeite aber auch an Apps, mit denen Auszubildende per Smartphone ihre Prüfungen vorbereiten können, oder konzipiere Bücher.”
Mit ihrer Berufswahl ist Schäfer sehr zufrieden. “Meine Arbeit ist sehr vielfältig und macht mir Spaß. Schließlich hatte ich schon immer Freude daran, Wissen zu vermitteln und aufzubereiten. So entstand auch mein Wunsch, in einem Verlag zu arbeiten.” Zunächst absolvierte Schäfer ein Praktikum, danach folgte ein Volontariat. Seit Oktober ist sie nun Redakteurin.
Der Thieme Verlag bietet aber nicht nur Volontariate in den Bereichen Redaktion, Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Projektmanagement an, sondern bildet auch jedes Jahr Medienkaufleute und Mediengestalter für Digital und Print aus. “Auch den dualen Studiengang zum Wirtschaftsinformatiker haben wir im Angebot”, so Haselhorst. “Dabei ist die Zahl der Bewerber sehr verschieden. Bei Nischenthemen ist sie zum Beispiel sehr klein, im Marketing dagegen sehr hoch.”
Volontariat zum Berufseinstieg
Der klassische Weg in die Buchbranche führt beim akademischen Nachwuchs über ein Volontariat. “Wer bei Verlagen einsteigen will, kommt in der Regel um Praktika und ein Volontariat nicht herum. Erst dann hat man Chancen auf eine Festanstellung”, betont die 28-jährige Buchwissenschaftlerin Norsin Tancik, gemeinsam mit Rebekka Kirsch Gründerin des Internetportals Buchkarriere.de. Das Portal informiert nicht nur den interessierten Nachwuchs, sondern bietet auch Verlagen und anderen Unternehmen der Buchbranche an, sich auf der Plattform zu präsentieren. “Ein Problem bei den Volontariaten ist die schlechte Bezahlung. Gerade in Städten wie Berlin oder Frankfurt am Main verdienen viele Volontäre nur 800 bis 1000 Euro brutto im Monat. Das ist im süddeutschen Raum besser, dort liegen die Gehälter meistens zwischen sind es 1000 bis 1500 Euro”, berichtet Tancik. Volontariate dauern in der Regel 12 bis 24 Monate und sind befristet. “Am Ende ist eine Festanstellung aber keineswegs die Regel. Deshalb fühlen sich leider viele gezwungen, sogar noch ein zweites Volontariat zu absolvieren, freiberuflich zu arbeiten oder die Branche zu wechseln.”
Um sich über die Verlage als Arbeitgeber zu informieren, bietet Buchkarriere.de ein Verlagsranking an, das mit Hilfe von Umfragen unter Praktikanten und Volontären entstanden ist. Tancik empfiehlt Einsteigern, sich genau zu überlegen, unter welchen Bedingungen sie bereit sind, ein Volontariat zu absolvieren: “Wem ein unterbezahltes Volontariat angeboten wird, der sollte davon Abstand nehmen.”
Informationen über die Buchbranche
Unter dem Menüpunkt “Bildung & Beruf” auf der Website des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels finden sich Informationen über Ausbildung, Fortbildung und Studiengänge sowie eine Jobbörse: www.boersenverein.de
Das Portal Buchkarriere.de informiert über Praktika, Volontariate und Karrierechancen in der Buchbranche. Außerdem findet sich dort eine Jobbörse: www.buchkarriere.de
Matthias Matting berichtet über die verschiedensten Aspekte des Selfpublishing unter: www.selfpublisherbibel.de
(Veröffentlicht in der Berliner Zeitung, Januar 2015)
(Copyright 2015 by Anja Schreiber)